Wenn Anne-Christine Reverchon morgens bei typisch norddeutschem Wetter mit dem Fahrrad zur Arbeit fährt und sich schließlich ihre Arbeitskleidung überstreifen kann, fühlt sie sich heimisch. Angekommen – in einem Umfeld, das für sie nicht immer rosig, aber immer erfüllend ist. Nicht nur, weil sie sich als gebürtige Nordfriesin durch und durch mit dem Land, der Luft und den Launen von Schleswig-Holstein identifiziert und ihre kurzen Wege zur Arbeit auch bei Nieselregen in vollen Zügen genießt. Sondern auch, weil sie sich im Krankenhaus mittlerweile pudelwohl fühlt. Das war jedoch nicht immer so. „Im Kindesalter“, berichtet die 22-Jährige, „habe ich mit dem Krankenhaus immer nur spitze Nadeln, die Aua machen, verbunden.“ Bei vielen anderen Menschen, allen voran bei kleinen Kindern, sieht das ganz ähnlich aus. Ist ein Krankenhaus doch oftmals der Ort, vor dem es den meisten nur so graut.
Dass die Angst immer völlig unbegründet war und sich durchaus in die ganz andere Richtung entwickeln kann, zeigt der Lebensweg von Anne-Christine.
Im echten Norden daheim, in der echten Pflege zu Hause
Die Nordfriesin wirkt selbstbewusst, fit und aufgeweckt, nett und dennoch schlagfertig. Stets bereit, ihre Mitmenschen und manchmal auch sich selbst mit einem flotten Spruch zu überraschen. Nichts, außer ein kleines offensichtliches Gerät auf Höhe ihrer Brust, weist darauf hin, dass sie tagtäglich mit einer echten Einschränkung zu kämpfen hat. Vor zehn Jahren wurde bei ihr Diabetes Mellitus Typ 1, landläufig auch als „Zuckerkrankheit“ bezeichnet, diagnostiziert. Das Gerät an ihrer Brust ist eine Insulin-Pumpe, die ständig für den Ausgleich ihres Blutzuckerspiegels sorgt. „Natürlich ist die Krankheit ein ständiger Begleiter im Alltag, aber man gewöhnt sich dran“, erzählt Anne-Christine taff, gibt im gleichen Atemzug aber zu, dass die Diagnose für sie im ersten Moment ein deftiger Schock war. Untersuchungen, Behandlungen, Kontrollen und damit verbunden eben auch einige Krankenhausaufenthalte erwarteten die damals 12-jährige Schülerin.
Pflegerin: Ein Vorbild für Kinder
Während ihrer ersten Krankenhausaufenthalte spürte Anne-Christine dann hautnah die Herzlichkeit und Fürsorge aller Ärzte und Pfleger, die sich um sie und die anderen Patientinnen und Patienten kümmerten. „Wirklich beeindruckend“ sei es gewesen, „mit welcher Haltung und mit wie viel Herzlichkeit“ die Menschen dort tagtäglich arbeiten. Und das, obwohl die Arbeit in der Pflege doch alles andere als leicht ist – „Insbesondere, wenn kleine Kinder wie ich knatschig sind“, ergänzt Anne-Christine lachend. Mit der Zeit fand aber auch sie, stets beruhigt von den Pflegekräften, immer bessere Möglichkeiten, mit den Nadeln umzugehen. Und heute: Von den Ängsten ihrer Kindheit keine Spur. Ganz im Gegenteil.
Noch heute denkt sie trotz der schwierigen Situation gerne an jene Zeit zurück, die später, wie sich herausstellen sollte, die Weichen für ihre Zukunft stellte. Denn dass die junge Frau heute als Pflegerin im Klinikum Nordfriesland auf der anderen Seite steht, hängt wesentlich mit ihrer Krankheit und den gemachten Erfahrungen im Krankenhaus zusammen. Anne-Christine realisierte, dass in der Pflege von Menschen, dem Umgang mit Krankheiten und der Atmosphäre im Krankenhaus ihre persönlicheErfüllung steckt. „Ich wollte weiterhin im Krankenhaus sein – aber so, dass ich abends auch nach Hause gehen kann“, erzählt sie schmunzelnd und zeigt sich gleichzeitig froh, nicht mehr das Krankenbett hüten zu müssen. Ihre Entscheidung war damit früh gefallen: Pflege soll es sein. Trotz aller Unwägbarkeiten, die damit oft assoziiert werden.
Schon früh die Weichen für einen Job mit Zukunft gestellt
Die Entscheidung für eine Ausbildung oder einen Beruf ist wohl die wichtigste und prägendste Entscheidung im Leben junger Leute. Mit welcher Tätigkeit möchte man sich an fünf Tagen in der Woche acht Stunden lang beschäftigen? Oder auch länger. Das Geld ist dabei ohne Zweifel ein Kriterium. Doch Geld alleine ist nicht ausschlaggebend. Worum also geht es im Berufsleben wirklich? Was will ich machen? Wie kann ich Beruf und Leben, Leben und Beruf so verbinden, dass ich aus allen positiven wie negativen Erfahrungen, die dazugehören, stets meine Kraft ziehen kann?
Eigentlich ganz einfach: Indem man sich wie Anne-Christine einen Beruf sucht, mit dem man sich schlichtweg identifiziert, den man gerne macht. Einen Beruf, der echten Sinn stiftet. In dem man die kleinen, schönen Momente so sehr zu schätzen weiß, dass auch die anstrengenden Zeiten und traurigen Momente, die es überall und zweifelsohne auch in der Pflege gibt, kein wirkliches Problem sind.
Die echten Momente machen den Unterschied
Natürlich ist Pflege fordernd und anstrengend. Pflege ist Arbeit am Menschen und Arbeit mit Menschen, die auf Hilfe und Unterstützung angewiesen sind. Doch die Pflege bietet etwas, das es in vielen anderen Berufen viel seltener oder gar nicht gibt: Echte Momente. Momente, die fordernd sind, in denen man aber immer wieder auch mehr zurückbekommt, als man gegeben hat. Und das hat zu einem großen Teil auch damit zu tun, dass Pflege von Geschichten lebt. Geschichten, die die Patientinnen und Patienten zu erzählen haben, und Geschichten, die die Pflegerinnen und Pfleger selbst schreiben.
Eine Geschichte, die Anne-Christine immer wieder gerne erzählt, handelt von einer ihrer kleinen Patientinnen, die genau wie sie panische Angst vor Nadeln hatte. Kurzerhand stellte Anne-Christine ihren eigenen Arm zur Verfügung, um sich eine Braunüle legen zu lassen und der Kleinen auf diese Weise zu zeigen, dass der kleine Piks weder weh tut noch gefährlich ist. Das kleine Mädchen ließ sich schließlich, sichtlich begeistert von der aufopferungsvollen Einstellung ihrer großen „Pflege-Heldin“, davon überzeugen, sich ebenfalls tapfer den Zugang legen zu lassen. Kleiner Piks, große Wirkung! Noch heute freut sich Anne-Christine über selbstgemalte Bilder von ihrer jungen Patientin. Und das ist nur eine von vielen Kleinigkeiten, die Anne-Christine heute trotz allen Stresses den Arbeitstag verschönern.
Mehr über Anne-Christine siehst du hier:
https://www.youtube.com/watch?v=LnHp2xy136I